19 Krieg im Namen der Religion: Balkan

Autor: Stephan Ozsváth

Krieg im Namen der Religion: Balkan

Der Balkan ist die Scheidelinie zwischen Orient und Okzident. Die Region ist nicht nur ein ethnischer Flickenteppich, sondern auch ein religiöser. Religion „lädt“ die politische Auseinandersetzung gleichsam auf. In den blutigen Auseinandersetzungen der 1990er Jahre musste Religion als Unterscheidungsmerkmal herhalten. Die serbisch-orthodoxe Kirche wurde zum wichtigen politischen Akteur – daraus leiten sich viele Konflikte ab. Religiöse Kultstätten dienen der Legitimation von Gebietsansprüchen.

Die neue religiöse Strenggläubigkeit führt zu Konflikten im Alltag

In Kroatien repräsentiert die katholische Kirche nicht nur die Verbindung zum Ustascha-Regime – über die sogenannte „Rattenlinie“ entkamen belastete Kroaten ins Ausland. Nach dem EU-Beitritt steht sie auch stellvertretend für ein konservatives Weltbild, das sich mit dem liberalen Brüsseler Mainstream reibt. Mit weithin sichtbaren großen Kreuzen, wie z.B. in Skopje oder Mostar markiert sie einen Machtanspruch über den Köpfen der Muslime.

In Bosnien-Herzegowina und im Kosovo ist eine Folge der Kriege der 1990er Jahre, dass sich Muslime stärker dem Glauben zuwenden. Das nutzen externe Akteure wie die arabischen Emirate und auch die Türkei für ihre politischen und religiösen Zwecke aus. Hunderte Dschihadisten aus den Balkanstaaten kämpfen in Syrien und dem Irak. In der Heimat sorgt religiöse Strenggläubigkeit für weitere Konflikte, die sich im Alltag zeigen – etwa, wenn an der Universität Sarajevo strenggläubige Muslime vorlesungsfreie Zeiten während der Gebetsstunden einfordern.

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Sendung als Podcast

Download Funkkolleg Religion Macht Politik (19), MP3-Audioformat, 24:55 Min., 45.6 MB

Sendung in hr-iNFO: 30.03.2019, 11:30 Uhr

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Zusatzmaterial

  1. In der Folge zitierte Literatur
  2. Hintergründe zum Balkan-Konflikt
  3. Der Balkan nach dem Konflikt
  4. Religiöse und ethnische Identitäten auf dem Balkan
  5. Konfliktlösungsprozesse und juristische Aufarbeitung auf dem Balkan
  6. Das Massaker von Srebrenica

1. In der Folge zitierte Literatur

Huntington, Samuel (1996): The clash of civilizations and the remaking of world order, New York, NY: Simon & Schuster.

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2. Hintergründe zum Balkan-Konflikt

Mit den Konflikten auf dem Balkan kehrte in den 1990er Jahren der Krieg nach Europa zurück. Der Zerbruch Jugoslawiens nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hatte ein Vakuum hinterlassen, das von ethnisch-religiösen kollektiven Identitäten und nationalistischen Ambitionen gefüllt wurde; denn auf dem Balkan, der bis zum Ersten Weltkrieg zum Osmanischen Reich gehörte, lebte und lebt bis heute eine Vielzahl von Ethnien und Religionen eng beieinander.

Calic, Marie-Janine (2017): Kleine Geschichte Jugoslawiens, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 40-41/2017, online unter: http://www.bpb.de/apuz/256921/kleine-geschichte-jugoslawiens

Deutschlandfunk (Aus Kultur- und Sozialwissenschaften, 11.10.2018): Erbe des Osmanischen Reiches, online unter: https://www.deutschlandfunk.de/alltagskultur-des-balkans-erbe-des-osmanischen-reiches.1148.de.html?dram:article_id=429976 [inkl. Audio]

Sundhaussen, Holm (2008): Der Zerfall Jugoslawiens und dessen Folge, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 32/2008, online unter: http://www.bpb.de/apuz/31042/der-zerfall-jugoslawiens-und-dessen-folgen

Kube, Stefan (2005): Religion als Konfliktpotenzial im jugoslawischen Zerfallsprozess und während des Krieges in Bosnien und Herzegowina, in: Ost-West Europäische Perspektiven 3/2005, online unter: https://www.owep.de/artikel/463/religion-als-konfliktpotenzial-im-jugoslawischen-zerfallsprozess-und-waehrend-des

Bundeszentrale für politische Bildung (2011): Fallstudie Friedensmissionen im Kosovo, online unter: https://sicherheitspolitik.bpb.de/m2/articles/case-study-peace-missions-in-kosovo

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3. Der Balkan nach dem Konflikt

Wirtschaftliche Stagnation, mangelhafte Bildungssysteme, schwache Arbeitsmärkte mit wenigen Aufstiegsmöglichkeiten – in den Staaten des Balkans sind viele Bürgerinnen und Bürger von den Leistungen ihrer Staaten wenig überzeugt, trotz Reformen und Mitgliedschaft in der EU oder der Perspektive auf den Beitritt. Auch die Verbrechen der Kriege sind in den Gesellschaften noch nicht aufgearbeitet worden. Diese Situation birgt durchaus Konfliktpotenzial und nährt z.T. Radikalisierungsprozesse in bestimmten Milieus.

International Crisis Group (2013): Bosnia’s Dangerous Tango: Islam and Nationalism, Europe Briefing N°70, online unter: https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/bosnias-dangerous-tango-islam-and-nationalism.pdf

Calic, Marie-Janine (2013): Kroatien und seine Nachbarn, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 17/2013, online unter: http://www.bpb.de/apuz/158168/kroatien-und-seine-nachbarn?p=0

Džihić, Vedran (2017): Verlorene Strahlkraft? Die Nachfolgestaaten Jugoslawiens zwischen EU, Russland und Türkei, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 40-41/2017, online unter: http://www.bpb.de/apuz/256919/die-nachfolgestaaten-jugoslawiens-zwischen-eu-russland-und-tuerkei?p=0

Ernst, Andreas (2017): Echoraum, nicht Pulverfass, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 40-41/2017, online unter: http://www.bpb.de/apuz/256917/echoraum-nicht-pulverfass?p=0

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4. Religiöse und ethnische Identitäten auf dem Balkan

Auch in den Post-Konflikt-Gesellschaften des Balkans spielen religiöse und ethnische Identitäten nach wie vor eine bedeutende Rolle.

Mijić, Anja (2017): Der bosnisch-herzegowinische Nachkrieg. Ein Kampf um den Opferstatus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 40-41/2017, online unter: http://www.bpb.de/apuz/256923/der-bosnisch-herzegowinische-nachkrieg?p=0

Pew Research Center (2017): Religious Belief and National Belonging in Central and Eastern Europe, online unter: http://www.pewforum.org/2017/05/10/religious-belief-and-national-belonging-in-central-and-eastern-europe/

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5. Konfliktlösungsprozesse und juristische Aufarbeitung auf dem Balkan

Der Umgang mit Kriegs- und schweren Menschenrechtsverbrechen ist für Nachkriegsgesellschaften eine der wichtigsten Herausforderungen, um den gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen und langfristig zu sichern. Das gilt auch für die Balkan-Staaten. Doch der Prozess der „transitional justice“, der Herstellung von Gerechtigkeit für die Opfer, ist umstritten und langwierig. Für den Balkan spielte das UN-Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien in Den Haag eine zentrale Rolle; doch gesellschaftlich ist die Aufarbeitung noch nicht vollendet.

Fischer, Martina (2016): Transitional Justice. Lessons from the Western Balkans, Berghof Policy Brief 05. Berlin: Berghof Foundation Operations, online unter: https://www.berghof-foundation.org/fileadmin/redaktion/Publications/Policy_Briefs/PolicyBrief05.pdf

Fischer, Martina/Petrovic-Ziemer, Ljubinka (2013): Dealing with the Past in the Western Balkans. Initiatives for Peacebuilding and Transitional Justice in Bosnia-Herzegovina, Serbia and Croatia, Berghof Report No. 18. Berlin: Berghof Foundation, online unter: https://www.berghof-foundation.org/fileadmin/redaktion/Publications/Papers/Reports/br18e.pdf

Serwer, Daniel (2017): The Unraveling of the Balkans Peace Agreements, Council on Foreign Relations Contingency Planning Memorandum No. 32, online unter: https://www.cfr.org/report/unraveling-balkans-peace-agreements

Verseck, Keno (2017): Das dramatische Ende eines einzigartigen Tribunals, online unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/uno-kriegsverbrechertribunal-das-dramatische-ende-des-icty-a-1180954.html

Verovšek, Peter (2018): The lessons of the ICTY for transitional justice, online unter: https://www.eurozine.com/the-lessons-of-the-icty-for-transitional-justice/

Heinrich-Böll-Stiftung [Podcast Böll.Fokus] (2018): 25 Jahre ICTY: Kein Frieden ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Wahrheit, online unter: https://www.boell.de/de/recht-und-unrecht-auf-dem-balkan-25-jahre-icty

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6. Das Massaker von Srebrenica

Bundeszentrale für Politische Bildung (2015): 1995: Das Massaker von Srebrenica, online unter: http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/209414/das-massaker-von-srebrenica

International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (2017): Srebrenica Genocide: No Room for Denial, online unter: http://www.icty.org/en/outreach/documentaries/srebrenica-genocide-no-room-for-denial

MacQueen, Norrie (2015): Srebrenica und die schweren Anfänge einer “neuen Friedenssicherung”, in: Vereinte Nationen 3/2015, online unter: https://dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2015/Heft_3_2015/02_Beitrag_Macqueen_del_Ponte_VN_3-15_3-6-2015.pdf

Whitaker, John (2015): The Legacy of Srebrenica, Twenty Years Later, online unter: https://www.newyorker.com/news/news-desk/the-legacy-of-the-srebrenica-massacre-twenty-years-later

Roser, Thomas (22.11.2017): Massaker von Srebrenica. „Das Urteil bringt mir meine Söhne nicht zurück“, online unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-11/ratko-mladic-srebrenica-un-kriegsverbrechertribunal-den-haag

Kraske, Marion (2016): Srebrenica und die Nachkömmlinge im Ungeiste, online unter: https://www.boell.de/de/2016/03/24/urteil-gegen-radovan-karadzic-srebrenica-und-die-nachkoemmlinge-im-ungeiste

Zusatzmaterialien als PDF zum Herunterladen

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