09 Töten im Namen Allahs – Radikalisierung muslimischer Jugendlicher

Autor: Lothar Bauerochse

Töten im Namen Allahs – Radikalisierung muslimischer Jugendlicher

Bei einer Razzia in Süddeutschland wird ein Fünfjähriger gefragt, was er denn einmal werden wolle. Antwort: „Ich will in den Heiligen Krieg ziehen und Ungläubige töten, wie mein Vater.“  Durchaus kein Einzelfall.

Der Österreicher Oliver N. war sechzehn, hatte eine Ausbildung und einen krisenfesten Job. Aber unter den „Brüdern“ einer Moscheegemeinde radikalisiert er sich, konvertiert zum Islam und reist über die Türkei nach Syrien, schließt sich dort dem IS an. In einem Internet-Chat sammeln sich Jugendliche und diskutieren immer wieder, was zum Leben eines gläubigen Muslim dazugehört. Systematisch sorgt der Wortführer dafür, dass die jungen Leute immer radikalere Positionen einnehmen. Am Ende sind sie zu allem bereit, sogar zu einem gewalttätigen Anschlag in Deutschland.

Warum begeistern sich Menschen für einen radikalen Islam?

Immer wieder radikalisieren sich Jugendliche im Namen Allahs. Auch in Deutschland sind Anwerber unterwegs, die systematisch vor Schulen Ausschau halten nach denen, die eine starke Gemeinschaft suchen, die sich nach Wertschätzung sehnen, die eigene Diskriminierungserfahrungen ummünzen in den Hass auf die Anderen, die Ungläubigen.

Wie groß ist die Zahl derer, die sich für einen radikalen Islam begeistern? Und wie gefährlich sind sie? Was weiß man über ihre Motive? Und was kann eine Gesellschaft dem entgegensetzen?

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Sendung als Podcast

Download Funkkolleg Religion Macht Politik (09), MP3-Audioformat, 25:07 Min., 46.0 MB

Sendung in hr-iNFO: 19.01.2019, 11:30 Uhr

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Zusatzmaterial

  1. Zitierte Literatur
  2. Radikaliserung, De-Radikalisierung, Extremismus
  3. Prävention
  4. Salafismus

1. In der Folge zitierte Literatur

Schmitz, Dominic Musa (2016): Ich war ein Salafist. Meine Zeit in der islamistischen Parallelwelt. Ullstein: Berlin.

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2. Radikaliserung, De-Radikalisierung, Extremismus

Das rasante Anwachsen der salafistischen Szene in Deutschland und anderen europäischen Ländern in den vergangenen Jahren hat auch die Nachfrage nach Forschungsergebnissen aus Sozialwissenschaften, Psychologie und Religionswissenschaften zu diesem Thema drastisch erhöht. In Deutschland sind eine Vielzahl von Institutionen, Verbünden und Lehrstühlen mit radikalen Ideologien, Individuen und Gruppen befasst. Doch was bedeuten eigentlich die Begriffe Radikalisierung, De-Radikalisierung und Extremismus? Welche Gruppen und Phänomene fallen darunter? Lassen sich beispielsweise Linksextremismus, Rechtsextremismus und Salafismus vergleichen? In der Debatte kursieren unterschiedliche Definitionen und Ansätze.

Neumann, Peter (2015): Radikalisierung, Deradikalisierung und Extremismus, online unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/radikalisierungspraevention/211827/die-begriffe-radikalisierung-deradikalisierung-und-extremismus

Gaspar, Hande Abay et al. (2018): Was ist Radikalisierung? Präzisierungen eines umstrittenen Begriffs, PRIF Report 5/2018, Report-Reihe Gesellschaft Extrem, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: Frankfurt am Main, online unter:  https://gesellschaftextrem.hsfk.de/ergebnisse/prif-reports/

Deitelhoff, Nicole/Junk, Julian (2018): „Warum wir einen weiten Begriff von Radikalisierung brauchen“, PRIF Blog, online unter: https://blog.prif.org/2018/04/10/warum-wir-einen-weiten-begriff-von-radikalisierung-brauchen/

Malthaner, Stefan (2017): Radicalization: The Evolution of an Analytical Paradigm, in: European Journal of Sociology / Archives Européennes de Sociologie 58 (3), S. 369-401, online unter: https://www.cambridge.org/core/journals/european-journal-of-sociology-archives-europeennes-de-sociologie/article/radicalization/A91A5B84B27365A36ADF79D3DFFE6C0C#

Warum radikalisieren sich Einzelpersonen wie Dominic Mussa Schmitz? Wie verläuft der Weg in die Gewalt? Welche Rolle spielen Umfeld, Familie, Schule – und gibt es psychische Dispositionen für Radikalisierung? Diese Fragen werden in der Forschung aktuell debattiert.

Srowig, Fabian et al. (2018): Radikalisierung von Individuen: Ein Überblick über mögliche Erklärungsansätze, PRIF Report 6/2018, Report-Reihe Gesellschaft Extrem, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: Frankfurt am Main, online unter: https://www.hsfk.de/fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/prif0618.pdf

Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (2018): Film “Radikalisierung von Individuen”, online unter: https://gesellschaftextrem.hsfk.de/themen/radikalisierung-von-individuen/

Kaddor, Lamya (2015): Zum Töten bereit. Warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen. München: Piper.

In einem TED-Talk berichtet Manwar Ali von seiner Zeit als radikaler Dschihadist:

Manwar Ali at TEDxExeter (2016): Inside the mind of a former radical jihadist, online unter: https://www.ted.com/talks/manwar_ali_inside_the_mind_of_a_former_radical_jihadist

Radikalisierung vollzieht sich nicht nur bei Einzelpersonen, auch Gruppen können sich radikalisieren. Interessanterweise scheinen bestimmte, als „Brückennarrative“ bezeichnete ideologische Vorstellungen bei radikalen Gruppen aus unterschiedlichen religiösen und politischen Traditionen zu verfangen – beispielsweise der Anti-Feminismus, der Antisemitismus oder eine Verklärung der eigenen Handlungen als legitimer Widerstand.

Meiering, David et al. (2018): Brückennarrative – Verbindende Elemente für die Radikalisierung von Gruppen, PRIF Report 7/2018, Report-Reihe Gesellschaft Extrem, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, online unter: https://gesellschaftextrem.hsfk.de/fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/prif0718.pdf

Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (2018): Film „Brückennarrative“, online unter: https://gesellschaftextrem.hsfk.de/themen/radikalisierung-von-gruppen/

Malthaner, Stefan (2014): Contextualizing Radicalization: The Emergence of the “Sauerland-Group” from Radical Networks and the Salafist Movement, in: Studies in Conflict and Terrorism 37, S. 638–653, online unter: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/1057610X.2014.921767?src=recsys

Eine bedeutende Rolle spielen bei der Radikalisierung das Internet und insbesondere die sozialen Medien, zugleich sind online- und offline-Radikalisierung eng verzahnt.

Neumann, Peter et al. (2018): Die Rolle des Internets und sozialer Medien für Radikalisierung und Deradikalisierung, PRIF Report 10/2018, Report-Reihe Gesellschaft Extrem, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: Frankfurt am Main. Online unter https://www.hsfk.de/fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/prif1018.pdf

Sold, Manjana/Gaspar, Hande Abay (2018): Online- oder Offline-Radikalisierung – oder doch ein Mix?, online unter: https://blog.prif.org/2018/06/01/online-oder-offline-radikalisierung-oder-doch-ein-mix/

Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung( 2018): Film „Die Rolle des Internets“, online unter: https://gesellschaftextrem.hsfk.de/themen/online-dimension-von-radikalisierung/

Kiefer, Michael (2017): Junge Dschihadisten im WhatsApp-Chat: Welche Rolle spielt Religion, online unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/radikalisierungspraevention/259448/junge-dschihadisten-im-whatsapp-chat-welche-rolle-spielt-religion

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3. Prävention

Die Forschung zu Prävention und De-Radikalisierung ist nicht so weit fortgeschritten wie die Forschung zu Radikalisierung. In Deutschland engagiert sich eine Vielzahl von Behörden, Organisationen und Vereinen in der Prävention – teils in staatlicher, teils in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft.

Baaken, Till et al. (2018): Herausforderung Deradikalisierung: Einsichten aus Wissenschaft und Praxis, PRIF Report 9/2018, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung: Frankfurt am Main, online unter: https://gesellschaftextrem.hsfk.de/fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/prif0918.pdf

Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (2018): Film „Herausforderung Deradikalisierung“, online unter: https://gesellschaftextrem.hsfk.de/themen/herausforderung-deradikalisierung/

Kärgel, Jana (Hrsg.) (2017): “Sie haben keinen Plan B”. Radikalisierung, Ausreise, Rückkehr – zwsichen Prävention und Intervention, bpb Schriftenreihe (Bd. 10151), Bundeszentrale für politische Bildung: Bonn. Zu beziehen unter: http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/259742/sie-haben-keinen-plan-b.

Mansour, Ahmad (2015): Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen, Frankfurt: Fischer.

Eine europäische Perspektive bietet:

Vidino, Lorenzo/Brandon, James (2012): Countering Radicalization in Europe, ICSR: London, online unter: https://icsr.info/wp-content/uploads/2012/12/ICSR-Report-Countering-Radicalization-in-Europe-1.pdf.

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4. Salafismus

Der Begriff Salafismus, der eine bestimmte Spielart des islamischen Glaubens bezeichnet, hat in jüngster Zeit starke Verbreitung gefunden. Eine erste Heranführung an die Inhalte und Besonderheiten dieser Strömung des radikalisierten Islams bieten folgende Texte:

Pfahl-Traughber, Armin (2015): Salafismus – was ist das überhaupt?. Definitionen – Ideologiemerkmale – Typologisierungen, online unter: https://www.bpb.de/211830/salafismus-was-ist-das-ueberhaupt

Abou-Taam, Marwan (2012): Die Salafiyya – eine kritische Betrachtung, online unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/radikalisierungspraevention/211832/die-salafiyya-hintergruende-und-weltanschauung

Kraetzer, Ulrich (2018): Die salafistische Szene in Deutschland, online unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/radikalisierungspraevention/211610/die-salafistische-szene-in-deutschland

Biene, Janusz/Daase, Christopher/Junk, Julian/Müller, Harald (Hrsg.) (2018): Salafismus und Dschihadismus in Deutschland. Ursachen, Dynamiken und Handlungsempfehlungen, bpb Schriftenreihe (Bd. 10123), Bundeszentrale für politische Bildung: Bonn. Online zu beziehen unter: http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/263417/salafismus-und-dschihadismus-in-deutschland

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